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Pinneberg und sein Amtsgericht - das gehört zusammen

Justizreform in Schleswig-Holstein: Droht Pinneberg der Verlust seines Amtsgerichts?

„Es gibt offenbar entsprechende Überlegungen“, sagt Bürgermeister Thomas Voerste. Der Pinneberger Verwaltungschef erläutert: „In Norderstedt existieren Pläne, das dortige Amtsgericht in einem früheren Lufthansa-Gebäude unterzubringen. Und dort könnte dann, so eine weitere Idee, auch das Pinneberger Gericht einziehen.“ Hintergrund ist, dass die Landesregierung in Kiel im Zuge der Haushaltskonsolidierung in den kommenden Jahren die Gerichtsstrukturen im Land reformieren will. Ein Amtsgericht pro Kreis ist offenbar ein Gedanke des Justizministeriums. Dementsprechend kämpfen aktuell sämtliche Standorte im südlichen Schleswig-Holstein, darunter auch Elmshorn und Norderstedt um ihre Zukunft. „In Norderstedt hat es daraufhin intensive Diskussionen gegeben. Und dabei ist die Idee für den neuen Gerichtsstandort entstanden.“

Der Pinneberger Bürgermeister macht klar: „Wir stehen zu unserem Amtsgericht und werden für unseren Standort kämpfen. Denn Pinneberg ohne ein Amtsgericht? Das ist für mich unvorstellbar.“ Diesen Standpunkt hat Thomas Voerste auch unmittelbar nach Bekanntwerden der Norderstedter Pläne in einem Telefonat mit dem Staatssekretär im Justizministerium Otto Carstens deutlich gemacht. „Es hat von ihm leider kein Dementi gegeben“, so Voerste.

Wie unverzichtbar das Amtsgericht Pinneberg nicht nur für die Stadt sondern die gesamte Region ist, zeigt ein Blick auf Zahlen und Aufgaben des Gerichts. Denn ob es um den Nachlass geht, juristische Fragen in Familienangelegenheiten oder Verfahren in Mietsachen – stets ist das Amtsgericht Pinneberg zuständig. Auch in Grundbuchsachen, Insolvenzsachen und natürlich im Bereich des Strafrechts sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tätig. Zentral in Pinneberg und somit auch im Herzen des Kreises Pinneberg gelegen, sind rund 130 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – vom Richter und Rechtspfleger über Servicekräfte und Wachtmeister bis hin zu Gerichtsvollziehern – zuständig für 190.000 Menschen.

„Mit einem Aus für den Gerichtsstandort Pinneberg würde die Bürgernähe komplett verloren gehen“, betont der Bürgermeister. Denn das Amtsgericht – gelegen zwischen Bahnhofstraße und Moltkestraße – ist gut mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar, innerhalb Pinnebergs für viele Menschen sogar fußläufig. „Wie ich im Gespräch mit Julia Gärtner, der Amtsgerichtsdirektorin, erfahren habe, gab es in Pinneberg stets einen regen Publikumsverkehr. Weite Wege in andere Städte wären somit kontraproduktiv: Die Zugänglichkeit der Justiz würde enorm erschwert. Und auch der Klimaschutz spricht gegen zusätzliche Kilometer auf der Straße“, sagt Thomas Voerste.

Auch die Zusammenarbeit mit anderen Behörden und Einrichtungen würde deutlich erschwert. Dazu zählen beispielsweise das Jugendamt, die Betreuungsbehörde, Schuldnerberatungen, Ordnungsämter und die Polizei. „Um es deutlich zu sagen: Wir sprechen letztlich von einem Ansehensverlust der Justiz, wenn das zentrale Gericht im einwohnerstärksten Kreis des Landes aufgegeben werden würde.“

Der Pinneberger Bürgermeister erinnert zudem an die jüngere Geschichte des Amtsgerichts. Zunächst wurde die Fassade des Gebäudes bei laufendem Betrieb entfernt, was mit einer erheblichen Lärmbelästigung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einherging. Dann musste während der Coronapandemie im Mai 2021 unvermittelt der Westflügel des Gerichtsgebäudes geräumt werden. Und schließlich folgten im Oktober 2021 und Juni 2022 die Umzüge an die Interimsstandorte in Quickborn und Schenefeld.

„All das haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Amtsgerichts mitgemacht. Sie haben erhebliche Unannehmlichkeiten und weitere Wege in Kauf genommen. Immer mit dem festen Vertrauen darauf, in einen Neubau am Standort in Pinneberg zurückkehren zu können“, sagt Bürgermeister Voerste. Sowohl der damalige Justizminister als auch der aktuelle Staatssekretär Otto Carstens haben stets betont, dass der Gerichtsstandort Pinneberg nicht in Frage gestellt wird. Auch das Gebäudemanagement Schleswig-Holstein (GM.SH) hat im April 2024 öffentlich mitgeteilt, dass ein Neubau für die Bedarfe des Amtsgerichts Pinneberg beschlossen worden sei. „Jetzt über eine mögliche Schließung des Standorts Pinneberg zu diskutieren, ist somit ein Schlag ins Gesicht der Beschäftigten“, sagt Thomas Voerste.

Für den Bürgermeister kommt der Vorstoß zudem überraschend, da sich in Kiel derzeit eine Arbeitsgruppe mit der Zukunft der Gerichtstrukturen im Land beschäftigt. „Ich denke, wir sollten hier als betroffene Städte mit einer Stimme sprechen“, so Thomas Voerste. Dem Pinneberger Verwaltungschef geht es dementsprechend nicht um ein Gegeneinander. „Pinneberg oder Norderstedt: Dieses Fass möchte ich gar nicht aufmachen. Aber ich wünsche mir eine klare Positionierung der Justizministerin zum Standort Pinneberg.“

Fotos: Das Amtsgericht Pinneberg befindet sich zentral in der Stadt und ist zuständig für 190.000 Menschen im gesamten Kreis Pinneberg.

Credits: Stadt Pinneberg